Pestiziden sind sowohl der Aggregatzustand als auch die Stadtgrenzen egal. Forscher der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) und der Medizinischen Universität Wien haben festgestellt, dass die Pflanzengifte praktisch allgegenwärtig in unserer Atemluft sind. Ganze 67 unterschiedliche Herbizide, Fungizide oder Insektizide aus der konventionellen Landwirtschaft wurden in verschiedenen Konzentrationen in der Luft in Ostösterreich gemessen. Die Studie wurde im Auftrag der Organisation "Enkeltaugliches Österreich" durchgeführt und von dieser gemeinsam mit dem Wissenschaftsfonds FWF finanziert.
"Uns hat überrascht, wie weit sich Pestizide in der Luft verbreiten", sagte einer der Studienautoren, Johann Zaller vom Institut für Zoologie an der Boku, in einer Pressekonferenz am Montag. "Wir haben in verschiedenen Regionen in Ostösterreich Luftfilter aufgestellt, nach mehreren Monaten eingesammelt und auf Pestizide analysiert. Die gefundenen Chemikalien haben wir dann hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen auf die Umwelt und den Menschen bewertet", erklärte Zaller.
17 Pestizide in
Wien festgestellt
Einer der Standorte war Wien. Selbst im Stadtzentrum wurden 17 Agrarchemikalien in der Luft gemessen. Zwei der Filter standen in Nationalparks - und sogar dort wurden in einem 10 beziehungsweise sogar 33 Pestizide in dem anderen gefunden. "Die Funde in Nationalparks sind insofern brisant, da Nationalparks ja zum Schutz besonders gefährdeter Pflanzen und Tiere da sind", sagte Zaller. Die genauen Standorte wurden allerdings mit Verweis auf Anonymitätszusicherungen nicht preisgegeben.
Bewertet man die gefundenen Pestizide nach ihren offiziell bekannten Nebenwirkungen, dann war etwa die Hälfte der gefundenen Pestizide schädlich für die menschliche Gesundheit. Sie können neben Reizungen von Schleimhaut und Haut u.a. das Hormonsystem stören mit negativen Folgen für die Fortpflanzungsfähigkeit. Nicht zuletzt hat fast ein Viertel der detektierten Substanzen ein krebserregendes Potenzial.
"Zwar sind die Konzentrationen der Pestizide in der Luft oft sehr gering, aber selbst kleinste Mengen bergen ein Gesundheitsrisiko und können über lange Zeit Wohlbefinden und Gesundheit beeinträchtigen", erklärte Studienautor Hans-Peter Hutter von der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien.
Zu wenig Beachtung bei Zulassung von Pestiziden
"Die Anzahl und Konzentrationen der gefundenen Pestizide waren abhängig von der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in der Umgebung. Aber auch höhere Temperaturen förderten deren Verbreitung. Aus Umweltsicht ist das problematisch, weil viele der gefundenen Stoffe giftig für Bienen, Regenwürmer oder Vögel waren", so Zaller.
Die Studienautoren gaben zu bedenken, dass die Verbreitung von Pestiziden in der Luft und deren gesundheitliche Schäden bei der Zulassung der Pestizide zu wenig Beachtung finden. "Unsere Studie zeigt eindeutig, dass Pestizide nicht am Ausbringungsort verbleiben, sondern breitflächig verdriftet werden und Schäden in der Umwelt und bei Menschen verursachen können. Nur ein Umstieg auf 100 Prozent Bio-Landwirtschaft kann dem entgegenwirken", waren sich Zaller und Hutter einig. Dies sei für eine zukunftsträchtige Landwirtschaft unerlässlich.
Der Schlüssel sei, die Diskussion weg von "noch mehr Flächen - noch mehr Leistung" auf andere Stellschrauben zu lenken. Wenn man in Österreich nur zehn Prozent weniger Fleisch essen würde, bräuchte man bereits viel weniger Fläche für Tierfutter. Da hätte auf individueller Ebene schon ein fleischfreier Tag in der Woche große Auswirkungen.(aum)