Neun Tipps für die Wildnis - FALTER.natur #100
Ich wünsche Ihnen einen schönen Internationalen Tag des Artenschutzes. Wir wollen heute – gemäß den Vereinten Nationen ...
Gilt es als Spoiler, wenn man die ersten paar Minuten einer Serie verrät? Falls ja, hören Sie jetzt auf zu lesen. Ein peruanischer Fischer rudert aufs offene Meer hinaus. Als sein Netz sich verfängt und er nach unten tauchen muss, wirft "etwas" plötzlich einen riesigen Schatten über ihn. Nein, kein weißer Hai, U-Boot oder Ähnliches: Ein gewaltiger Schwarm aus tausenden kleinen Fischen.
Ich spreche von "Der Schwarm", basierend auf dem 2006 erschienenen gleichnamigen Roman des Schriftstellers Frank Schätzing. Gerade lief die aufwendig produzierte und viel diskutierte Serie auf ORF 1 (man kann sie hier nachsehen).
Mich persönlich interessiert aber weniger der Tratsch rund um die Produktion, sondern eher das biologische Konzept, das hinter der Idee steckt – zumindest am Rande: Was ist dieses "etwas", dieser Modebegriff Schwarmintelligenz, auch Kollektive Intelligenz genannt, überhaupt?
Denken Sie an einen Vogelschwarm. Stare bilden solche Formationen gerne und oft, bewegen sich wie ein riesiges ferngesteuertes Etwas. 10 Millionen Vögel wie eine schwarze Welle am Himmel, breiter, größter, kleiner, links rechts. Wie hier über Rom: Ein Superorganismus (der übrigens sieben Tonnen Vogelscheiße produziert - hier endet die Faszination für viele wohl).
Dass der Schwarm sich so koordiniert bewegen kann, dafür braucht er eine kollektive Intelligenz. Entscheidungen, die dezentral getroffen werden, also nicht von einem Individuum, das Befehle gibt. Woher weiß der einzelne Vogel, in welche Richtung er fliegen muss?
Früher dachte man, dass diese Vögel telepathisch miteinander kommunizieren. In Wahrheit reagieren sie 13 Mal schneller als Menschen auf Signale. Das heißt, sie bewegen sich komplett synchron, jedoch mit einer Verzögerung eines Bruchteils einer Sekunde. Das nehmen wir als diese hypnotisierenden Wellen am Himmel wahr.
Wieso sie das machen? Auf sich alleine gestellt können sie nicht die gleichen oder gleich gute Entscheidungen treffen wie im Kollektiv. Etwa, wo sie übernachten oder nach Futter suchen sollen. Ein evolutionärer Vorteil.
Bei anderen Lebewesen geht das noch weiter: Ameisen etwa treffen Entscheidungen nicht nur koordiniert als ein großer Organismus, sie sind quasi ein großer Organismus aus vielen kleinen Teilen. Ameisen tauschen untereinander Speichel aus und so auch Proteine, Futter. Sie teilen also eine Art kolonie-großen Metabolismus. Und weil ein Individuum in diesem Ameisenstaat nicht alleine überleben, keine so schlauen Entscheidungen treffen könnte, vermutet man hier eine Art kollektiver Intelligenz.
Auch unsere Gehirnzellen funktionieren übrigens so: Wenn Neuronen mit anderen Neuronen verbunden werden, wird Bewusstsein überhaupt erst möglich. Und es gilt auch für etwas, naja, primitivere Lebewesen: Forscher brachten Schleimpilze (die übrigens keine "echten" Pilze, sondern sogenannte Amoebozoa sind) auf dem Modell einer Karte der USA auf und platzierten Haferflocken auf Punkten, die für die größten Städte standen. Der Schleimpilz schickte zuerst Ausläufer aus, um Futter zu suchen und dabei alle möglichen Verbindungen auszukundschaften. Dann zog er sich zurück und wählte den kürzesten Weg zwischen zwei Städten. Ein kleiner Klecks, der zum Vorbild für Anwendungen wie selbstfahrende Autos werden könnte.
Und das Prinzip gilt nicht nur für biologische Systeme - Gruppen an Vögeln, Fischen, Schleimpilzen, Zellen. Im weitesten Sinne ist auch Crowdsourcing oder Citizen Science Teil davon: Man entwickelt etwas auf der Basis von Wissen, das viele verschiedene Leute zusammengetragen haben.
Wissenschafter:innen haben deswegen angefangen, diese Schwarmintelligenz nachzubauen. Forscher der University of Pennsylvania haben kleine Roboter entwickelt, die sich ohne zentrale Steuerung bewegen. Sie bekommen lediglich die Anweisung, eine bestimmte Flugformation zu bilden, dann müssen sie miteinander kommunizieren (in diesem Video sieht man das genauer). Und schon jetzt denkt man darüber nach, wo diese Art der Intelligenz nützlich sein könnte. Ein Roboterschwarm, der nach einem Erdbeben nach Überlebenden sucht, zum Beispiel.
Was die Künstliche Intelligenz-Forschung hier wiederum zum Vorbild hat? Ameisen.
Katharina Kropshofer
Auch in der Kunst sind Kollektive gefragt. Die Band Superorganism spielt nicht nur im Namen mit dem Konzept: Sie haben sich über das Internet gefunden, lebten auf verschiedenen Kontinenten und begannen, über die Distanz Musik zu machen. Hier eine akustische Kostprobe.
1) Es gibt für Naturfreunde viel zu sehen, zu hören, zu erleben in den nächsten Tagen: Am 28. März veranstalten die Science Busters etwa einen Benefizabend für den Klimaaktivismus.
2) Heute Abend und morgen veranstaltet die Stadt Wien das wohl erste Open Air der Saison: Im zehnten Bezirk stellt die Stadt den neuesten Stadtzuwachs vor, Rothneusiedl. Am Zukunftshof, der manchen von ihnen vielleicht schon von diversen Festen bekannt ist, kann man über Stadtlandwirtschaft und klimaneutrales Bauen erfahren – und auch kritisch hinterfragen.
3) Apropos Klimakrise: Reinhard Steurer, der zuletzt in vielen Talkshows und Beiträgen zu Klimaaktivismus als Experte geladen war, hält ab sofort jeden Dienstag eine Vorlesung zu "Verleugnung & Heuchelei in der Klimakrise". Auch Gasthörer:innen sind willkommen.
Seit Kurzem haben wir eine neue Kategorie etabliert: Die Frage der Woche. Unsere Leserin Anna Fulterer fragt sich, warum es keine Besteuerung auf versiegelte Flächen gibt und ob das was bringen würde?
Wir haben dazu Gernot Stöglehner, Professor am Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der Universität für Bodenkultur befragt: Er meint, dass eine solche Besteuerung nichts bringen würde. Stattdessen würde es etwa Wohnen sogar teurer machen. "Es geht nicht darum, die versiegelte Fläche als solche zu besteuern, sondern dass Nutzungen nicht widmungskonform umgesetzt sind." Schon jetzt gibt es etwa eine Grundsteuer auf a) Bauland und b) landwirtschaftliche Flächen. Nur: Es wird nicht differenziert, ob diese leer stehen oder nicht. Er wünscht sich deshalb eine Kategorie c) eine Grundsteuer für Leerstand und nicht genutztes Bauland. So würde sich der Baulandpreis regulieren, Wohnen wieder leistbar werden.
Falls Sie noch immer nicht genug haben von Natur, Klima und Vielfalt, dann können Sie auch in der aktuellen FALTER-Ausgabe einiges finden: Mein Kollege Benedikt Narodoslawsky schreibt etwa über "ewige Chemikalien" wie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS;- Sie kennen es als Teflon. Und ich habe den Klimarechtsprofessor Daniel Ennöckl porträtiert und mir Gedanken über die aktuelle Winterdürre gemacht.
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