Niederösterreich verbaute im Vorjahr pro Tag 2,3 Hektar Boden, der Verbrauch stieg damit gegenüber 2021 wieder an und umfasst damit fast so viel wie die Zielsetzung für ganz Österreich ist. Das wären 2,5 Hektar pro Tag. Auf den Flächen wurden einerseits neue Siedlungen bzw. Gewerbegebiete gebaut, andererseits Straßen bzw. Parkplätze. Die bisherigen Maßnahmen haben laut Experten und Expertinnen jedenfalls nicht die gewünschte Wirkung entfaltet.
Mit Hilfe von regionalen Raumordnungsprogrammen, die im Herbst oder nächstes Frühjahr für alle Bezirke beschlossen werden sollen, will das Land nun gegensteuern und den Verbrauch einbremsen, kündigte Landeshauptfrau und ÖVP-Parteichefin Johanna Mikl-Leitner am Freitag im „NÖ-heute“-Sommergespräch an. Bisher seien dadurch mehr als 2.000 Siedlungsgrenzen festgelegt worden. „Rote Linien, über die hinaus nicht mehr gebaut werden darf“, sagt Mikl-Leitner.
Dadurch seien bisher 500.000 Hektar Grünland, Freizeitfläche oder Ackerland vor der Verbauung geschützt worden. Ein Konzept dieser Tragweite gebe es in keinem anderen Bundesland, sagte der Leiter des Institutes für Raumplanung der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien, Gernot Stöglehner: „Das ein guter Ansatz, da wird viel Fläche geschützt, da werden Siedlungsgrenzen entwickelt, das geht absolut in die richtige Richtung.“
Grundsteuer für Leerstand gefordert
Die Maßnahme allein reiche aber keinesfalls aus, ergänzt der Experte. Denn der Flächenverbrauch sei nach wie vor vorhanden: auf Grund des Bevölkerungswachstums, von Lebensstilfragen, des Wirtschaftslebens oder Einkaufsverhaltens. „Da einzugreifen, ist gesellschaftlich nicht ganz einfach“, weiß Stöglehner, der sich deshalb eine Grundsteuer für Leerstand wünscht: „Eine eigene Grundsteuerkategorie, denn jetzt etwas Gewidmetes leer stehen zu lassen, ist recht billig, schadet aber der Gesellschaft.“

Der Bodenschutz-Experte des WWF, Simon Pories, bezeichnet die Maßnahmen Niederösterreichs zwar als sinnvoll, entscheidend sei aber, dass sie auch rigoros eingehalten würden: „Es gibt immer wieder Regelungen, die dann gewisse Ausnahmen erlauben, wo es heißt, wenn man keine andere Lösung für einen Standort findet, kann man doch wieder bauen.“ Initiativen, die „gut klingen“, werden damit „wieder ziemlich zahnlos und verwässert.“
Keine Zahlentricks
Das Land selbst spricht oft gar nicht vom Bodenverbrauch, der eben zuletzt bei 2,3 Hektar lag, sondern von der versiegelten, also zubetonierten Fläche, die etwa einen Hektar Boden betrifft. Laut Pories müsse man aber den gesamten Bodenverbrauch im Blick behalten: „Eine Mülldeponie oder ein Golfplatz ist jetzt nicht versiegelt, aber trotzdem verbraucht, kein intakter Boden und steht auch nicht mehr für die Natur oder Landwirtschaft zur Verfügung.“
Auf ganz Österreich umgelegt sei in den vergangenen 20 Jahren sechs Mal die Fläche von Wien dazu gebaut worden, sagt Stöglehner. „Das ist einfach zu viel.“ Auf Grund dieser Entwicklungen sei für die Zukunft zu überlegen, „wie wir zu einer Netto-Null-Inanspruchnahme kommen. Das heißt nicht, dass man nichts mehr baut, sondern dass man für eine Fläche, die irgendwo verbaut wird, wo anders eine Fläche, die nicht genutzt wird, wieder in Grünland rückführt.“ Eine unpopuläre Maßnahme und ohne finanzielle Steuerung wohl unmöglich.

Versiegelungsabgabe für die Renaturierung
Denn im Alltag ist Bauen auf der grünen Wiese oft noch günstiger als bereits versiegelte Flächen zu nutzen, kritisiert Pories. Gegensteuern könnte man hier mit einer Versiegelungsabgabe: „Das kann auf Landesebene oder Bundesebene sein, wo ich für jede Fläche, die ich neu versiegle, eine Abgabe leisten muss.“ Daraus könnte man wiederum Renaturierung- oder Entsiegelungsprojekte finanzieren.
Die Zeit drängt, so Pories, „denn jeder Tag, wo nicht gehandelt wird, werden weitere Flächen verbaut.“ Den Bodenverbrauch einzubremsen, sei in jedem Fall elementar und dringend nötig – sowohl im Kampf gegen den Klimawandel, weil intakte Böden wertvolle Kohlenstoffspeicher sind, als auch zur Ernährungssicherung, sind sich beide Experten einig.