Global 2000-Klimasprecher: „Wir sind auf keinem guten Weg“

Erstellt am 28. September 2022 | 05:20
Lesezeit: 4 Min
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Wahlmüller fordert neue Zonen für Windanlagen.
Foto: Stephan Wyckoff
Experten warnen vor einem Klimafiasko. In NÖ drängen Klimaschützer auf einen „Wind-Solar-Turbo“. Das Land beruhigt.
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Mit Fragen wie „Oma, was ist ein Schneemann?“ und Forderungen à la „Menschen, nicht Profit!“ und „Frau Mikl-Leitner, stoppen Sie die uralte Betonpolitik!“ auf selbstgemalten Bannern und Schildern machten unzählige junge Klimaschützer ihrem „Klimaschutz-Ärger“ ordentlich Luft.

Die Aktivisten von Fridays for Future (FFF) gingen letzten Freitag nicht nur in St. Pölten, sondern weltweit mit ihren Anliegen auf die Straße. Hierzulande fordern sie von NÖ-Politikern mehr Mut und Tempo beim Klimaschutz, einen schnellen Ausstieg bei Öl und Gas und einen „Turbo“-Ausbau der Wind- und Sonnenenergie. „Die niederösterreichische Titanic ist noch voll auf Kollisionskurs“, sagt Max Nutz, Aktivist bei FFF.

Niederösterreich habe bundesweit den höchsten Gesamtenergieverbrauch, setze kaum Energieeinsparungs-Schritte und habe mit 4,5 Prozent CO 2 -Reduktion über einen Zeitraum von zehn Jahren seit 1990 sehr wenig eingespart.

Symbolbild
Quelle: Statistik Austria, EEÖ, Energieagentur Österreich, Land NÖ
Foto: Illustration: petovarga/shutterstock.com | NÖN-Grafik: Gastegger

„Für eine Klimaneutralität 2040 brauchen wir eine Einsparung in dieser Größenordnung jedes Jahr“, sagt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher bei Global 2000. Die Landespolitik habe zwar einige sinnvolle Absichtserklärungen abgegeben und könne mehrere positive Entwicklungen verbuchen. Dennoch sieht Wahlmüller in vielen Bereichen dringenden Handlungsbedarf. „Seit Mikl-Leitners Amtsantritt 2017 hat es keine großen Sprünge mehr beim Ausbau und bei der Neuzonierung für Windenergie in Niederösterreich gegeben.“

Dabei spiele seiner Meinung nach Niederösterreich eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz in Österreich. Wahlmüller fordert neben einem klaren Ausstiegsfahrplan aus Erdgas bei Heizungen und Fernwärme eine neue Zonierung für Windenergie. Niederösterreich nutze bis dato bei Weitem sein Potenzial bei Wind- und Sonnenenergie nicht.

Fehlendes Ökogesetz blockierte jahrelang Ausbau

Mit „Niederösterreich tut, was ein Land tun kann beim Klima- und Umweltschutz“ reagiert das Land NÖ auf die Kritik. Dass viele Ökostromprojekte in den letzten Jahren verzögert wurden, lag daran, dass die Novellierung des Ökostromgesetzes (ÖSG) als Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) erst 2021 vom Ministerium auf Schiene gebracht und im Parlament beschlossen worden sei. „Das haben wir lange und laut gefordert und bemängelt“, heißt es aus dem Büro Pernkopf.

Tatsächlich hat Landesvize Stephan Pernkopf (ÖVP), zuständig für Energie und Umwelt, bereits 2017 den Rückstau als „unverantwortlich“ kritisiert und eine Ökostromgesetz-Novelle gefordert. Mit dem EAG steht bis 2030 jährlich eine Milliarde Euro für den Erneuerbaren-Ausbau zur Verfügung. Alles unter dem Stern, Österreichs Strombedarf bis 2030 zu 100 Prozent aus Wind-, Solar- bzw. Wasserkraft zu decken. Heuer sollen 38 Windräder in NÖ errichtet werden, 80 weitere stecken in Genehmigungsverfahren. Platz genug für neue Windräder in Form von freien Zonen gebe es noch, kontert das Land. Mit aktuell 735 Anlagen stehen bereits mehr als die Hälfte aller österreichischen Windkraftanlagen in NÖ.

Dass im NÖ-Gesamtenergieverbrauch noch immer zwei Drittel Nicht-Erneuerbare aufscheinen, wie Erdöl-Produkte, ist mitunter dem „Klimasünder“ Verkehr geschuldet.

Der Verband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) geht jedenfalls davon aus, dass Österreich nur dann die Klimaneutralität in 2040 erreichen kann, wenn die Bundesländer ihren Gesamtenergieverbrauch bis dahin halbieren. Das Land NÖ will dies mit dem Ausbau der Erneuerbaren, E-Mobilität und mehr Energieeffizienz schaffen. „Niederösterreich wird seinen Beitrag zu den Bundeszielen leisten, genauso wie das hoffentlich auch alle anderen Bundesländer machen werden“, heißt es vom Land NÖ, das in dem Kontext etwa auf das 22-Prozent-Plus bei PV-Anlagen in 2021 und 200.000 auf LED umgestellte Straßenlaternen verweist.

„Österreich lebt in einer Klimaillusion“

Für viele Experten drängt die Zeit dennoch. „Österreich lebt in einer Klimaillusion. Wir sind auf keinem guten Weg“, sagt Klimapolitik-Experte Reinhard Steurer von der BOKU Wien. Im Europa-Ranking schneidet Österreich in Sachen Klimaschutz am fünft- bzw. sechstschlechtesten ab. „Das, was wir jetzt bei 1,2 Grad Erhitzung sehen, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was bei 2 oder jenseits von 2 Grad kommt“, warnt Steurer.